Zusammenfassung
Der folgende Artikel soll der besseren Zugänglichkeit und dem besseren Verständnis der oben genannten Publikation dienen. Der Inhalt, sowie verwendete Abbildungen entspringen der Originalliteratur (Alvarez-Satta et al. 2021) sofern nicht anders gekennzeichnet. Komplexe Inhalte werden zum besseren Verständnis bewusst vereinfacht dargestellt, sowie teilweise labortechnische Methodiken ausgelassen, sofern sie nicht zum Sachverständnis beitragen.
Kernaussagen
Das Alström-Syndrom (ALMS) wird durch Mutationen eines einzelnen Gens (hier ALMS1) ausgelöst.
Das ALMS1-Gen ist an verschiedenen, wichtigen Prozessen wie dem Zellzyklus, der Zelldifferenzierung oder auch der Instandhaltung der Zilien beteiligt.
Es konnte bisher noch nicht gezeigt werden, in welchem Ausmaß ALMS1 an den verschiedenen Abläufen in den Zellen beteiligt ist.
Studien haben die essenzielle Rolle Primärer Zilien als Schlüsselfaktoren des TGF/BMP Signalings (reguliert Expression verschiedener Gene) belegt.
Daten zeigen, dass die Fähigkeit der Zellen, Zilien auszubilden, nicht durch ALMS1 beeinträchtigt wird.
Stattdessen ist ALMS1 ein Regulator des strukturellen/morphologischen Aufbaus der Zilien, welcher sowohl die Länge als auch die Linearität der Zilien beeinflussen kann.
Die Mutation im ALMS1-Gen beeinflusst sowohl den strukturellen Aufbau der Primären Zilien in den Zellen als auch das TGF-Signaling grundlegend.
Prämissen und Forschungsziel
Das Alström Syndrom, eine als Ziliopathie (Krankheit ausgelöst durch morphologische Veränderung der Zilien) kategorisierte Krankheit, wird durch Veränderungen in der Sequenz (Mutationen) des ALMS1 Gens induziert. Im Unterschied zu vielen anderen Ziliopathien handelt es sich hierbei um eine monogenetische Erkrankung. ALMS wird also durch Mutationen eines einzelnen Gens (hier ALMS1) ausgelöst und es bedarf nicht weiteren Veränderungen an anderen Positionen der Erbsequenz (polygenetische Erkrankung). Diese Eigenschaft macht ALMS sehr interessant für die Forschung. Die Transkription und Translation des ALMS1-Gens erzeugt ein sich zumeist am Zentrosom und Basalkörper lokalisierendes Protein. Dadurch ist es an verschiedenen, wichtigen Prozessen wie dem Zellzyklus, der Zelldifferenzierung oder auch der Instandhaltung der Zilien beteiligt. Dennoch konnte bisher noch nicht gezeigt werden, in welchem Ausmaß ALMS1 an den verschiedenen Abläufen in den Zellen beteiligt ist. Aufgrund dessen und der Tatsache, dass die Forschung zum Thema ALMS noch in den Kinderschuhen steckt, ist es sehr wahrscheinlich, dass ALMS1 in weitere Prozesse involviert ist. Einer dieser Prozesse könnte das TGF-/BMP Signaling sein. Störungen dieses Pathways können Herzanomalien und Fibrosen auslösen, beides bekannte Ausprägungen des Alström Syndroms.
Die Ergebnisse weiterer Studien haben zudem die essentielle Rolle Primärer Zilien als Schlüsselfaktoren des TGF/BMP Signalings untermauert. Dies beruht darauf, dass sich vermehrt TGF- Rezeptoren an den Zilien anlagern und auch die SMAD2/3 sowie ERK1/2 Phosphorylierung in dieser Region stattfinden. Somit gibt es Grund zur Annahme, dass die Primären Zilien der Zellen eine besondere regulatorische Aufgabe besitzen in der Balancierung des TGF-Pathways. Anhand von Experimenten wurde in dieser Studie die Auswirkung von ALMS1 auf die Morphologie des Primären Ziliums, sowie den TGF-Pathway untersucht.
TGF-/BMP Pathway - Vereinfachte Darstellung
Der “transforming growth factor beta/bone morphogenic protein signaling Pathway“ (im Folgenden: TGF-Pathway) ist, wie der Name schon verrät, ein “Signalweg“, welcher die Expression verschiedener Gene reguliert.
TGF- und BMP, die Namensgeber des Pathways, sind extrazelluläre Signalmoleküle (Abb. 1, Ligands). Sobald diese an die in der Zellwand sitzenden Rezeptoren binden, initiieren sie durch Aktivierung (Phosphorylierung) der Rezeptoren die Signalkaskade. Durch die Aktivierung der Rezeptor-komplexe findet eine Umformung der intrazellulären Domäne der Rezeptoren statt. Sogenannte SMAD Proteine werden rekrutiert, binden an die aktivierte Rezeptoren und übernehmen deren Phosphorylierung. Handelt es sich bei den Rezeptoren um TFG- Rezeptor-komplexen, werden SMAD2/3 Proteine rekrutiert und phosphoryliert. Im Unterschied dazu werden bei BMP-Rezeptoren SMAD1/5/8 Proteine aktiviert.
Unabhängig davon, um welches SMAD-Protein es sich handelt, binden diese an ein Weiteres SMAD-Protein (SMAD4). Diese erneute Komplexbildung ermöglicht es nun dem SMAD-Komplex in den Zellkern einzudringen und dort als Trankriptionsfaktor die Expression bestimmter Gene zu regulieren. Bei diesen handelt es sich um Gene zur Osteogenese, Neurogenese, Apoptose um nur einige zu nennen.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es neben dem gezeigten, kanonischen Pathway auch nicht-kanonische Pathways gibt, welche den SMAD-induzierten Pathway ergänzen (z.B. ERK1/2 Kaskaden). Kanonisch bedeutet, dass dieser Pathyway/diese Signalkaskade am häufigsten durch das Binden der Signalmoleküle ausgelöst wird. Somit löst das Binden von BMP meistens die Phosphorylierung von SMAD1/5/8 aus, es kann aber auch ein anderer (ergo nicht-kanonischer) Prozess, zum Beispiel die Phosphorylierung von ERK1/2 induziert werden.
Knockdown des ALMS1-Gens
Für einige Experimente wurde an HeLa-Zellen (Zelllinie menschlicher Epithelzellen) ein Knockdown des ALMS1-Gens durchgeführt. Der Knowckdown eines Gens bedeutet, dass die Expression (Bildung des Proteins) des betroffenen Gens durch den Einsatz von siRNA (small interfering RNA) herab gesetzt wird. Durch die sequenzspezifische siRNA kann diese an die Target-mRNA des Gens gebunden werden und die Spaltung und den Abbau der Target-mRNA induzieren. Somit kann weniger mRNA des Gens zu Proteinen translatiert (übersetzt) werden.
Schematische Darstellung des Knockdowns eines Gens https://cen.acs.org/articles/91/i46/Gene-Silencing-Design.html
Zusätzlich wurde zu jedem Experiment auch eine Kontrollgruppe mit einer nicht bindenden siRNA (siMock) angesetzt. Dies erlaubt es auf Signifikanz zu testen, sowie zu sehen, ob der experimentelle Aufbau sowie dessen Durchführung korrekt abläuft.
Morphologische Unterschiede durch ALMS1-Knockdown
Um die Lokalisation des ALMS1-Proteins (grün), des Actin-Tubulin-Skeletts der Primären Zilien (rot) sowie der Zellkerne (blau) einer unbehandelten Probe zu finden, wurde ein Immunofluoreszenz Ansatz gewählt (Abb. 3). Es ist sehr gut zu erkennen, dass sich in einer gesunden Zelle das ALMS1-Protein am basalen Ende der Zilien in zwei Punkten anlagert. Dies stimmt mit der Lokalisation von Zentrosomen (Zellorganellen - bilden Pole während der Mitose) einer Zelle überein und bestätigt die Funde vorheriger Studien. Auch die gestreckte Morphologie (äußere Gestalt) der Zilien (rot) lässt sich eindeutig erkennen.
Um morphologische Unterschiede zwischen den Knock-
down-Ansätzen und den mit Mock siRNA transfektierten (Transfektion - Einbringen von Fremd-DNA/RNA (hier siRNA) in die Zellen) Kontrollproben zu finden, wurden diese ebenfalls mit Hilfe der Immunofluoreszenzmethode unter dem Mikroskop betrachtet (Abb. 4). Die Ansätze der Kontrollgruppen (obere Reihe) weisen ein sehr kräftiges ALMS1-Signal auf. Dies spricht für eine normale Expression des ALMS1-Gens. Auch die Morphologie des Ziliums weicht nicht merklich von der einer gesunden Zelle ab. Vergleicht man diese mit den Knockdown-Ansätzen, kann man eine stark veränderte Morphologie erkennen. Die Zilien der siALMS1 Proben sind in den repräsentierten Daten deutlich länger. Zusätzlich haben fünf der acht Exemplare einen oder mehrere deutlich erkennbar abgeknickte Zilien. Die merklich geringere Intensität des Signals der ALMS1-Proteine bestätigt zudem den erfolgreichen Knockdown des Gens.
Immunofluoreszenz Mikroskopie - Vergleich der Kontrollgruppe (oben) und der Knockdown Proben (unten)
Durch quantitative Analysen sowie statistische Testung auf signifikante Unterschiede zwischen den Kontrollgruppen und den Knockdown-Ansätzen können interessante Rückschlüsse über die Rolle von ALMS1 bezogen auf morphologische Eigenschaften gezogen werden. Anhand der dargestellten Daten lässt sich folgern, dass die Fähigkeit der Zellen Zilien auszubilden nicht durch ALMS1 beeinträchtigt wird (Abb. 5B). Stattdessen ist ALMS1 ein Regulator des strukturellen/morphologischen Aufbaus der Zilien, welcher sowohl die Länge, als auch die Linearität der Zilien beeinflussen kann (Abb. 5D und 5E). Dies ist ebenfalls konsistent mit Zellanalysen von einigen an dem Alström Syndrom erkrankten Personen. Die Autoren der Publikation konstatieren ebenfalls einen möglichen Zusammenhang der abnormen Morphologie mit veränderten Signalkaskaden sowie veränderter Dauer eines Zellzyklus, wie sie in Patientenstudien bestätigt werden konnten.
Statistische Auswertung der gefundenen morphologischen Unterschiede.
Einfluss auf den TGF-Pathway
In diesem Experiment wurden ebenfalls siMock und siALMS1 Zellkulturen gezüchtet. Um die Auswirkungen eines Mangels an ALMS1-Proteinen auf die kanonischen und nicht-kanonischen Signalkaskaden beobachten zu können, wurden in mehreren Ansätzen die Zellen für unterschiedlich lange Zeit mit entweder TGF-1 oder BMP2 stimuliert. Dabei liefern die relativen Level der aktivierten (phosphorylierten) p-SMAD2 und p-ERK-1/2 Proteine (im Fall der TGF-1 Stimulation, Abb. 6A/B/C) und p-SMAD1/5 respektive p-ERK1/2 (bei BMP2 Stimulation, Abb. 6D/E/F) genaue Informationen darüber, ob und welcher Pathway beeinträchtigt ist.
Stimulation Assays durch TGF-1 und BMP2
Die Ergebnisse zeigen besonders bei der Stimulation mit TGF-1 eine signifikante Reduktion an aktivierten p-SMAD2-Proteinen. Konträr dazu konnte bei den relativen Leveln der p-SMAD1/5-Proteine nach Stimulation mit BMP2 keine Tendenz erkannt werden. Dies spricht für eine regulative Rolle von ALMS1 bei der kanonischen Kaskade im TGF-Signaling, wohingegen das kanonische BMP-Signaling weniger oder gar nicht beeinträchtigt wurde. Fibrosen werden eng mit TGF--Signaling assoziiert, im Besonderen mit den Aktivatoren der SMAD2/3 Achse. Das Silencen (Herunterregulieren - wird häufig durch die Mutation im ALMS1-Gen bei Betroffenen ausgelöst) des ALMS1-Gens inhibiert/behindert augenscheinlich die Phosphorylierung von SMAD2, welches zu Problemen des TGF-Signalings und dadurch zu Fibrosen bei betroffenen Patienten führen kann. Zusätzlich könnte dies auch das Auftreten von Mitogenetischer Kardiomyopathien bei ALMS Patienten erklären. Diese werden durch die unkontrollierte Zellvermehrung von Herzmuskelzellen ausgelöst. Aber nicht nur die kanonischen Signalkaskaden scheinen vom Mangel an ALMS1-Proteinen betroffen zu sein. Auch wenn nur bei der 30-minütigen Stimulation durch TGF-1 ein signifikanter Unterschied gefunden werden konnte, zeichnet sich ein eindeutiger Trend ab. Unabhängig von der Stimulationsart war das relative Level an p-ERK1/2 konstant niedriger in den siALMS1 Proben. Es lässt sich dennoch keine genaue Aussage darüber treffen, was genau die Auswirkungen der veränderten nicht-kanonischen Signalkaskaden sind.
In einem weiteren Experiment wurde überprüft, ob sich in gesunden Zellen die Menge an ALMS1-mRNA (somit auch des Proteins) durch die Stimulation des TGF-Pathways mit TGF-1 und BMP2 verändert (Abb. 7). Beide Signalmoleküle induzierten dabei eine erhöhte Konzentration an ALMS1-mRNA in den Zellen. Dies Bestätigt die Vermutung der regulatorischen Rolle von ALMS1 im TGF-Pathway.
+++ Die Studie wurde von Patrick Galvan übersetzt und zusammengefasst. Fragen oder Anmerkungen bitte über info@alstroem.de +++
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