top of page
Bernd Rosenbichler

Whole genome sequencing identifies a novel ALMS1 gene mutation in two Chinese siblings with Alström

Aktualisiert: 27. Aug. 2021

Zusammenfassung der Publikation - Lin Yang et al. 2017 -


Wichtige Begriffe

· Genom Gesamtheit des Erbguts einer Zelle

· Exom

Gesamtheit der kodierenden Bereiche der DNA, etwa 1% des Genoms

· Whole Exome Sequencing (WES) Sequenzierungsmethode für alle kodierenden Bereiche der DNA. Durch die Arbeitsweise der Methodik gehen etwa 3-5% der Information verloren

· Whole Genome Sequencing (WGS) Sequenzierungsmethode zur Aufschlüsselung des gesamten Genoms einer Person. Genauer als WES, allerdings auch aufwendiger und teurer

· Copy Number Variations (CNV) Strukturelle Variation des Genoms, welche die unterschiedliche Anzahl an Kopien eines Gens beschreibt.

· Single Nucleotide Polymorphismus (SNP) Veränderung von einzelnen Basenpaaren im Erbgut einer Person (gelegentlich auch als SNV geführt).

· inDels Zusammengesetzt aus insertion und deletion. Bezeichnet das Einfügen bzw. Entfernen von Sequenzen in das Genom. Abhängig von der Position kann dies keine bis weitreichende Folgen haben.


Grundlegendes

Das Alström Syndrom (ALMS) ist eine seltene, autosomal rezessive Krankheit mit vielen verschiedenen Ausprägungen klinischer Symptome wie z.B. Zapfen-Stäbchen Dystrophie, sensorineurale Schwerhörigkeit und Hypoganadismus um nur einige zu nennen. ALMS wird nach heutigem Wissensstand durch pathogene Mutationen des ALMS1-Gens ausgelöst. In den vergangenen 3 Jahren (Zeitpunkt der Veröffentlichung der Publikation: 2017) wurden durch WGS und WES mehr als 150, bisher unbekannte vererbbare Krankheiten und Mutationen mit unerklärbaren phänotypischen Ausprägungen entdeckt.


Klinische Studie

In dieser Studie wurden die Genome zweier Geschwister einer vierköpfigen, chinesischen Familie mit jeweils einer Zapfen-Stäbchen Dystrophie auf mögliche Ursachen des Krankheitsbildes untersucht. Um genetische Variationen durch SNP’s, CNV’s, und inDels zu finden wurde durch WGS das Genom der Geschwister, sowie das der Eltern vollständig Sequenziert.


Anamnese der beiden Geschwister

Zum Zeitpunkt der Studie war der ältere der beiden Geschwister 16 Jahre alt mit einer sehr kleinen Statur von 155 cm (3. Perzentil) und einem Gewicht von 57 kg (25-50 Perzentil). Er wies dabei Kraniofaziale Fehlbildungen auf, zeigte aber keine Anzeichen von Hypogonadismus und hatte eine normale Ausbildung der Geschlechtsorgane. Noch vor dem Ende des 3. Lebensmonats wurde der Beginn einer Lichtempfindlichkeit und Nystagmus festgestellt, welche zu einer Erblindung zwischen dem 7. oder 8. Lebensjahr führten. Zwischen dem 8.- und 9. Lebensjahr kam Hörverlust, sowie im 14. Lebensjahr Diabetes hinzu und noch vor dem 15. Lebensjahr wurde eine Fettleibigkeit festgestellt. Zusätzlich wurden durch Ultraschall des Abdomens mehrere feste Körper in der Leber gefunden. Es gab zum Zeitpunkt der Studie keine Anzeichen für verzögerte Entwicklung, mentale Einschränkungen, Herzprobleme, Hypertonie oder Polydactylie. Bis auf leicht erhöhte Triglyzerin- und Blut-Harnstoffwerte wies der Patient ein normales Blutbild auf.

Der jüngere Bruder hatte im Alter von 8 Jahren eine Körpergröße von 120 cm (3. Perzentil) bei einem Gewicht von 30kg (50.-75. Perzentil). Im Unterschied zu seinem älteren Bruder wies er keine Kraniofazialen Fehlbildungen, Fettleibigkeit, Diabetes oder Hörverlust auf. Er hatte ebenfalls keine Anzeichen für Hypogonadismus, verspätete Entwicklung oder mentale Einschränkungen, allerdings manifestierten sich Lichtempfindlichkeit, Nystagmus und fortschreitende Zapfen-Stäbchen Dystrophie seit dem Beginn des 3. Lebensmonats. Zum Zeitpunkt der Studie betrug sein Sehvermögen nur noch 10 %. Bei Untersuchungen mit Hilfe eines Ultraschallgeräts des Abdomens, Echokardiogrammen sowie der Überprüfung der Leber und Nierenfunktion konnten keine Anomalien feststellen. Die Eltern der beiden Geschwister waren beide gesund und nicht blutsverwandt. Zudem waren keine angeborenen Missbildungen in der Familiengeschichte bekannt.

Die verschiedenen Indikatoren und deren Manifestierung bei dem Geschwisterpaar sind in der Folgenden Abbildung noch einmal zusammengefasst (Abb. 1).


Abbildung 1: Symptome der beiden Geschwister

Whole Genome Sequencing

Zur Findung von möglichen, pathogenen Veränderungen in den Genomen der beiden Geschwister wurden sowohl deren, als auch die Genome der beiden Elternteile Sequenziert via WGS. Bei den Probanden wurden zwischen 6.288.378 und 6.375.627 Veränderungen in der Erbsequenz im Vergleich zum Referenzgenom (UCSC hg19) gefunden (Abb. 2a). Unter diesen knapp 6 Mio. Veränderungen gab es in etwa 1.68 - 1.77 Mio. noch unbekannte Variationen (noch in keiner Datenbank festgehaltene Veränderungen) mit daher auch unbekannter Signifikanz (Abb. 2b).


Durch das Ausschließen von schon bekannten, sowie nicht funktionalen Veränderung der Erbsequenz, konnte die Zahl an möglicherweise pathogenen Veränderungen auf 803 in 399 Genen reduziert werden (Abb. 2d). Die Tatsache, dass beide Geschwister einen ähnlichen Phänotypen aufweisen, lässt den Schluss zu, dass es sich um entweder um eine X-Linked (vom X-Chromosom der Mutter geerbt) oder autosomal rezessive Vererbung handeln muss. Daher konnte die Suche weiter eingegrenzt werden auf 10 Gene (X-Linked: 1, autosomal rezessiv: 9). Unter diesen gab es zwei heterogene Varianten im ALMS1 Gen, welche zu einem verkürzten (2866 Aminosäuren kürzer) und daher vermutlich (partiell) nicht funktionalen ALMS1-Protein führen. Des Weiteren konnte nur im Genom des älteren Bruders eine Veränderung im BBS1-Gen (Bardet-Biedle Syndrom 1 Gen) festgestellt werden.

Abbildung 2: Ergebnisse und Datenanalyse der WGS von den Geschwistern sowie beiden Elternteilen


Ergebnisse und Folgerungen

Es ist sehr schwer nur anhand von Symptomen, welche auch das Alter des Patienten einbeziehen, mit großer Sicherheit das Alström Syndrom zu diagnostizieren. Anhand des Beispiels dieser Studie kann man sehr gut sehen, welche Probleme und Schwierigkeiten eine Diagnose nur Anhand der Anamnese mit sich bringen kann. Keiner der beiden Brüder fällt in die klassischen Diagnosekriterien für ALMS.

WGS ist ein sehr mächtiges Werkzeug zur Analyse der genetischen Variation für heterogene Krankheiten. Dabei kann es nicht nur SNP’s oder inDels, sondern auch CNV’s in nicht kodierenden Regionen detektieren. In dieser Studie konnten durch WGS und dessen Datenanalyse zwei heterogene nonsense Mutationen im ALMS1-Gen gefunden werden, anhand derer schlussendlich bei beiden Brüdern das Alström Syndrom diagnostiziert werden konnte. Die zusätzliche Mutation im BBS1 Gen des älteren Bruder ist ein potentieller Kandidat für eine Interaktion mit ALMS1 und kann der Grund für den unterschiedlichen Beginn und die unterschiedliche Ausprägung der Symptome der beiden Geschwister sein. Um diese Aussage zu stützen ist allerdings weitere Forschung notwendig.


3 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


Farbverlauf, der von links Gelbgrün startet und nach rechts in Richtung eines Blaugrüns verläuft
bottom of page