ÜBER MICH
Meine Geschichte
...und jetzt?
Das Leben war schnell und schön
Das Grand Hyatt in Shanghai war mein Traum. Allein im obersten Stockwerk in der Bar zu sitzen oder ein Zimmer mit bodentiefen Fenstern zu haben und aus dem Bett den Blick auf Shanghai zu genießen. Davor noch ein Besuch des F1 Rennens im Paddock Club...kann das Leben schöner sein?
Wir schreiben 2009 und ich bin für ein Jahr beruflich in China. Allein. Meine Frau ist in Deutschland, Kinder gibt es noch keine. Als Manager in der Automobilindustrie lebt man seinen Traum dachte ich mir. Erfolgreich sein, Geld verdienen, um die Welt reisen - so in etwa sah mein Lebensplan aus. Für viel mehr hatte ich keine Zeit; ein Tag hat ohnehin nur 24h - da bleibt neben dem Job und den eigenen Zielen wenig Raum.
2021: Ich bin jetzt 47, vor einigen Wochen habe ich meinen letzten Arbeitgeber verlassen. Immer noch Autoindustrie, selbst gekündigt, als ‚obere Führungskraft‘. Gab es bisher noch nicht oft. In Zeiten von Corona schon gar nicht. Im in bestem Einvernehmen und dem Wissen, vermutlich einem der attraktivsten und besten Unternehmen den Rücken zu kehren. Vor allem: ohne Alternative. Kein Backup, kein Netz; kein Vermögen das einen auch nur in die Nähe der Rente trägt.
2012 wurde Ben geboren. Ich wäre vermutlich auch kinderlos gut zurechtgekommen, aber ich empfand es ‚trotzdem‘ als Bereicherung meines Lebens. Als Ben sechs Monate alt war, merkten wir, dass etwas mit seiner Sehfähigkeit nicht stimmte. Mehrere Untersuchungen, die sich über Jahre zogen und schlussendlich ein Gentest, als Ben dann vier Jahre alt war, brachten die Gewissheit: es war nicht nur ein Augendefekt, sondern eine sehr seltene genetische Erkrankung mit dem Namen Alström. Eine Multiorganerkrankung mit einer geringen Lebenserwartung. Um die 1000 Fälle weltweit, kaum Empirie, die Forschung in den Kinderschuhen. Gespräche über ‚Heilungschancen‘ (die es nicht gibt) nahmen Dekaden als Zeitraum in den Blick. Der Wikipedia-Eintrag zu der Erkrankung las sich wie eine medizinische Horrorgeschichte.
Dennoch - mit einem sehr guten medizinischen Netz und großem Zusammenhalt in München konnten wir relativ bald unsere Rolle als Eltern verstehen. Jemand sagte zu uns ‚Kinder suchen sich ihre Eltern‘. Da steckt wohl in unserem Fall einiges an Wahrheit drinnen. Zwei eher egoistische, erfolgreiche Menschen, die mehr könnten als nur der eigenen Karriere hinterher zu hecheln. Nun also mit einem kleinen Mann im Gepäck der an einer unheilbaren und auch schwer zu begreifenden Krankheit litt.
Es gibt Momente, in denen alles logisch erscheint
Aber was ist dieses ‚mehr können‘? Wo anfangen? Wie helfen wo es eigentlich keine Hilfe gibt, sondern nur Hoffnung, dass eine der vielen Untersuchungen keine schlimme Erkenntnis liefert?
Über die folgenden Jahre muss etwas geschehen sein was für mich unvorstellbar war. Ben brachte mir bei, was wichtig ist. ‚Papi, wir sind Glückskinder‘ - sagt das ein Kind mit einer solchen Krankheit, das beinahe blind ist? Wieso ist er immer fröhlich? Abends schläft er kaum ein, weil er so gerne ‚Quatsch‘ macht, morgens hüpft er gut gelaunt und immer viel zu früh aus dem Bett und tagsüber ist immer Stimmung. Schule liebt er, Menschen genauso; egal was man mit ihm macht, er ist mit Freude und Leidenschaft dabei. Sagt täglich wie lieb er mich hat. Will Müllmann werden und spielt Fußball.
Er bekommt Hörgeräte, nennt sie Lauschis und ist ganz stolz. Der Blindenstock machte ihn noch stolzer, Ben erklärte mir jedes Detail. Und wir Erwachsenen? Haben wir da nicht so einen ‚Oh mein Gott‘-Reflex? Und dann auch noch das eigene Kind? Was macht das mit einem Vater oder einem Elternteil, das weiß, dass vieles nicht so kommen wird. Dass harte Zeiten kommen werden, viele Träume ebensolche bleiben werden. Es vermutlich in den nächsten Jahrzehnten keine Lösung für Bens Probleme geben wird. Ziemlich bald auch der letzte Rest Augenlicht verschwinden wird.
Über die erste Hilflosigkeit
Radikale Veränderung des Lebens
Es verändert einen. In meinem Fall, ohne es wirklich zu merken in eine Richtung, die zu der oben beschriebenen Situation geführt hat. Es hat – langsam – dazu geführt mir selbst die Frage zu stellen wie ich es eigentlich rechtfertigen kann, mich zwar mit Hingabe und viel Aufwand um mich und die Probleme anderer gekümmert zu haben, aber vielleicht zu wenig um das Schicksal meines eigenen Kindes.
So stehe ich nun am Anfang der vielleicht wichtigsten Reise meines Lebens: Einen Beitrag zu leisten zu einem Thema, das ich nicht richtig verstehe und bei dem meine bisherigen Erfahrungen und das Gelernte kaum helfen. Aber zu wissen, dass es wenig zum Thema Alström gibt - wenig Forschung, kein wirkliches verstehen, was genau diese Erkrankung bedeutet und bisher keine Chance auf Heilung - ist eine hilfreiche Basis, um zu begreifen, dass allein der Versuch, etwas zu verbessern, der richtige Weg sein wird.
Berichte
Was konnte ich aus der Erfahrung lernen?
Ein Sprung ins Ungewisse
Die Entscheidung, meinen Job aufzugeben und mich um die Erkrankung von Ben zu kümmern war ein für mich lange Zeit unvorstellbarer Schritt. Warum er mir gelang und was meine Erkenntnisse waren, wie sich manches bewusst, manches unbewusst über die Zeit entwickelt hat; welche Rolle Werte gespielt haben und was Unternehmen daraus lernen können - all das möchte ich - auch um meine Initiative damit zu unterstützen - in Form von Vorträgen anbieten.